Hallo werte Leser! Vielen Dank wieder einmal fuer die lieben Kommentare, Emails oder SMS, die uns sogar nach so langer Zeit erreichen und uns zeigen, dass wir nicht vergessen sind.
Endlich haben wir es uebers Meer geschafft und koennen euch herzliche Gruesse aus Georgien schicken!
Das Land ist kurz gesagt der Hammer. Vom Regenwald an der Schwarzmeerkueste bis in die Halbwueste der Zentralregionen mit ihren Hoehlenstaedten und bizarren Sandsteinformationen haben uns unsere treuen Raeder getragen, in die Berge links und rechts des riesigen flachen Tales zwischen den beiden kaukasischen Gebirgen, und ueberall haben wir unglaublich nette Menschen getroffen.
Gastfreundschaft ist in Georgien das Hoechste aller Gueter. Das aeussert sich auf vielerlei Weise. Autofahrer sehen uns und hupen und winken, manch einer haelt an und dann kriegt man in die Hand gedrueckt, was sich gerade im Auto befindet. Frischgebackenes Brot etwa oder Cola, oder man faehrt uns voraus in den eigenen Garten, pflueckt schnell ein paar Aepfel/Feigen/Mirabellen/Weintrauben, um dann zu wenden und uns die Fruechte freudestrahlend mit den besten Wuenschen in die Hand zu druecken. Soviel Aufmerksamkeit kriegen wohl selbst die Fahrer der Tour de France nicht 😉
Wenn wir durch die kleinen Doerfer kommen, winken uns die Leute zu, bei ihnen einzukehren, wenigstens einen Happen zu essen oder einen Schluck Wein zu trinken. Der wird uebrigens selbst gemacht, ist gottseidank nicht so stark und schmeckt ein bisschen sauer.Die Speisen kommen auch fast zu 100 Prozent aus eigener Produktion, bis hin zum Kaese aus Kuhmilch in Salzlake, der fast so schmeckt wie der Billig-Feta aus dem Lidl.
Da in Georgien seit ueber 7000 Jahren Wein gekeltert wird, hat sich eine richtige Trinkkultur herausgebildet. Grundlage bildet die Tamada, eine Art Trinkspruch-system, ohne das kein Glas angeruehrt wird. Der Hausherr fuehrt die Tamada. Zuerst wird auf die Gaeste angestossen, dann auf die Gastgeber, dann auf die Kinder, die Eltern, dann auf alle Verstorbenen, spaeter auf die Laender der Teilnehmenden bis hin zum Weltfrieden.
Angestossen wird immer mit vollem Glas. Es wird aber nicht uebelgenommen, wenn der Gast nur nippt, anstelle auszutrinken (wobei es einige Ausnahmen gibt). So kann man auch ganze Naechte in Familie gut ueberstehen und das Aufstehen am naechsten Morgen faellt auch leichter.
Es gaebe noch tausend andere Sachen zu erzaehlen von der Kultur hier. Wir uebernachten mindestens einmal pro Woche bei jemandem, und immer gibt es wieder mehr zu lernen, was Hochseiten angeht zum Beispiel und Trauerfeiern, wie man arbeitet und wie man feiert, was die Leute ueber ihre Nachbarlaender denken und ueber den Krieg vor zwei Jahren. Aber das wuerde den Rahmen hier sprengen – bin aber gern bereit, die eine oder andere Info gegen ein Glas Bier in ner Neustadtkneipe zu tauschen 😉
Lieber erzaehle ich euch weiter von unserer Reise. Die begann erst ordentlich abenteuerlich im Nachtzug von Simferopol nach Odessa, als wir unsere Raeder demontiert auf dem oberen Bett einer Vierer-Schlafkabine festzurrten, und die Nacht dann auf dem anderen verbrachten, immmer in der Sorge, ein Strick koennte reissen und die Bikes unsere Mitreisenden – das aeltere Paerchen unter uns – erschlagen.
Dafuer waren die naechsten drei Tage der reinste Luxus. 1000 km uebers Schwarze Meer an Bord der „Greifswald“, ein riesen Dampfer im Rail-Cargo-Verkehr. Drei warme Mahlzeiten am Tag (die wir aber am zweiten Tag leider sausen lassen mussten – 5 Meter Seegang forderten ihren Tribut), viel Platz zum Faulenzen und Sonnen, Meer, Delfine und natuerlich unsere Piratencrew. die bestand aus dem Wahldresdner Christian, der genauso per Rucksack unterwegs war wie unsere polnischen Jungs Grzegorz und Sebastian, sowie aus Daniel, ebenfalls Fernradler wie wir und aus der Slowakei. Dufte Truppe!
Zusammen haben wir dann auch den ersten Tag in Batumi verbracht. Die Stadt soll mal das Vorzeigeprojekt fuer den Schwarzmeertourismus werden und wird gerade komplett renoviert (wie uebrigens ausnahmslos alle touristischen Highlights Georgiens!). Der absolute Wahnsinn ist aber der Prachtstrand – eine Flaniermeile mit Parks, Restaurants, Theatern usw, 300 Meter breit und wenn sie fertig wird, 26 Kilometer lang (bis zur tuerkischen Grenze). Nachts ist jede Palme, jeder Springbrunnen bunt beleuchtet – ein Las Vegas-Projekt von sozialistischen Ausmassen!
Wir sind den Strand bis zum vorlaeufigen Ende langgewandert und haben die Zelte dann in ner leicht vermuellten Ecke aufgeschlagen. Leider kam mit der Daemmerung ein heftiger Sturm, dessen Windboen nicht nur unser Zelt heftig durchschuettelten, sondern das der Polen richtiggehend zerlegten. Die beiden sind dann im Starkregen Richtung Prachtstrand gefluechtet und haben sogar einen trockenen Keller zum Unterkriechen gefunden. Gefunden haben wir uebrigens das Zelt dann nicht mehr-die naechste Boe muss es mitsamt Vorraeten und allem anderen ins Meer getragen haben. Gut, der Verlust war verschmerzbar – das Zelt war aus dem Supermarkt fuer 6,50 Euro…
Der Starkregen des folgenden Tages setzte dann unsere Wiese 10 cm unter Wasser und damit auch die Zelte, sodass der Abschied von der Kueste schneller vonstatten ging als eigentlich geplant und wir drei (Agata, Daniel und ich) uns nach zwei Tagen bereits ins Landesinnere wandten. Die Entscheidung war gut-es war immer noch nicht zu trocken und deshalb wuchsen am Strassenrand jede Menge Zitronen, Granataepfel, Feigen und sogar Bananen! Bis auf letztere ist alles zur Zeit auch gerade richtig gut reif und gerade die Feigen wurden von uns gleich kiloweise konsumiert – scheint keiner hier zu essen und die Baeume am Strassenrand sind VOLL.
In Ozurgeti haben wir dann zum ersten Mal bei jemanden uebernachtet. Samuel und seine Familie haben uns mit offenen Armen und vollem Esstisch empfangen und die Nachbarin hat dann sogar extra georgische Spezialitaeten gebacken – Chatschapuri! Eine Art Pizza mit zwei verschiedenen Sorten Kaese, einmal zum Uberbacken und einmal innen drin.
Weiter gings ein paar Tage auf kleinen Strassen abseits vom Verkehr nach Kutaisi, dort verbrachten wir einen Nachmittag bei der Deutsch-Georgischen Gesellschaft, die zur Zeit vor allem aermere Familien auf dem Lande mit Sachspenden unterstuetzt. Faszinierend die Bagrati-Kathedrale, riesig, ueber 1000 Jahre alt – und gerade in Renovierung. Ein Blick ueber die Steinmauer hinter der Kirche lohnt sich uebrigens immens – mehr wird nicht verraten.
Georgien ist beruehmt fuer seine Kirchen. Die ersten stammen aus der Zeit der Christianisierung um 300 nach Christus und sind entsprechend massiv und trutzig. Wir sind in die Berge gefahren und haben uns die Kloester von Montsameti und Gelati angeschaut. Interessanter als die offiziellen Sehenswuerdigkeiten sind aber oft die unzaehligen Ruinen und Altertuemer, die man durch Zufall auf der Strecke findet. Noch schoener, wenn man dann noch direkt daneben zelten kann wie an der „alten Kirche“ in Naehe des Klosters von Gelati. Ein Platz wie aus dem Bilderbuch…
Einige Tage ging es noch durchs Vorgebirge des Elbrus, dessen schneeweisse Gipfel oft aus der Ferne zu sehen waren. Die Strassen hier im Hinterland werden uebrigens auch Stueck fuer Stueck renoviert, trotzdem ging es ab jetzt meistens ueber Schotter. In einem winzigen Gebirgsflecken kam dann Agata auf die Idee, dass wir uns in den urigen, aus Bretterverschlaegen bestehenden Friseursalons die Haare schneiden lassen koennten.Die beiden haben ihren Job ernst genommen – nicht nur ich hab ne 5mm-Stachelfrisur, selbst Agata mit ihrem doch guten Russisch konnte nicht verhindern, dass ihre schoenen langen Haare um die Haelfte gekuerzt wurden. Dafuer hab ich aber wenigstens nicht bezahlen muessen…
Wir sind dann wieder in die Ebene gerollt, da die Konfliktzone um Suedossetien doch schon ziemlich nahe war, was man auch am Verhalten der Menschen spueren konnte. Eine Nacht haben wir bei den Feuerwehrleuten von Terjola verbracht, wo ausgiebigst gefeiert wurde, wir einen Schnelltanzkurs im georgischen traditionellen Tanz bekamen und Agata mit dem Polizeiwagen in den Supermarkt gefahren wurde.
Ab Zestaponi versperrte dann eine Huegelkette den Weg nach Osten. Da also eh Bergfahren anstand, ging es fuer uns Richtung Suedosten und wir konnten den Borjomi-Nationalpark streifen, welcher beruehmt ist fuer seine „richtig wilde Wildnis“, und der deshalb auch in die Gruppe der PEN-Parks (kennt die jemand?) aufgenommen worden war. War aber wirklich huebsch da – und wild…
Den letzten Tag in den Bergen von Borjomi verbrachten wir bei Lewan, einem doch schon aelteren Herren, der in seiner Holzhuette uber dem Tal ein wenig einsam wohnte. Und uns sofort die drei Betten anbot, die in einem der beiden kleinen Zimmer standen. Die Zimmer werden uebrigens hier nur zum Schlafen oder im tiefen Winter genutzt – das Leben und die Arbeit (bei Lewan: Kaese machen, Obst einkochen, Wein keltern) spielt sich auf der grossen Veranda ab, die fester Bestandteil selbst der kleinsten Huette ist. Und genau da sassen wir dann bis spaet in die Nacht, tranken Tchatcha genannten (und selbstgebrannten) Schnaps und hoerten uns die Geschichten an, die alte Leutchen so zu erzaehlen haben, und die wie ein Fenster in eine – in Europa schon lange vergangene – Zeit sind.
Am naechsten Tag aenderte sich die Landschaft dann ziemlich schlagartig. Heraus aus den gruenen Bergen, fanden wir uns in einer trockenen Ebene wieder, nur dank der Reste des Bewaesserungssystems aus Stalins Zeiten waechst in der Gegend um Gori ueberhaupt Getreide. Das ist uebrigens die Geburtsstadt des oben erwaehnten Herren, das dazu gehoerige Museum haben wir uns aus Zeitgruenden gespart und sind lieber direkt nach Uplisziche gefahren.
Das ist eine Hoehlenstadt, direkt in die Sandsteinfelsen des Wuestengebirges geschlagen, ueber dreitausend Jahre alt und vor allem deshalb beruehmt, dass es bis in die letzten Jahrhunderte seines Bestehens eine reine Tempelstadt war. Hier wurden den wichtigsten Gottheiten – dem Fels, aus dem die Stadt besteht und der Sonne – zu Ehren noch religioese Spektakel veranstaltet, als der Rest Georgiens schon lange christianisiert war. Die Anlage ist riesig, obwohl viele Hoehlen aufgrund der immensen Zeitspanne schon von der Erosion abgetragen worden sind. Und um das, was uebrig ist, ranken sich noch so viele Raetsel, dass es die Archaeologen zur Verzweiflung bringt – die Christen waren ordentlich fleissig, was das Beseitigen von Zeugnissen der heidnischen Religionen anging…
Die wuestenartige Landschaft und die Hoehlen in den Felsen des Flusstales begleiteten uns dann auch die naechste Zeit, eigentlich fast bis Tbilisi. Witzigerweise waren wir aber auch Zeugen eines hier eher seltenen Naturereignisses – Regen und Unwetter…
In der huebschen kleinen Stadt Mtskheta haben wir dann den Christian wiedergetroffen, der ein paar Tage vorher von einem Trip aus Samtredia (das ist dort wo die Doerfer mit den vielen Wehrtuermen rumstehen) wiedergekommen war. Und den Micha, bzw. Lolli haben wir kennengelernt, ergo den Besitzer von Lolli’s Homestay in – genau, Dresden, der gerade auch per Fahrrad in der Kaukasusregion unterwegs ist.
Jetzt sind wir in Tbilisi, erholen uns vom Rumreisen in einem kleinen chaotischen aber netten Hostel, versuchen Fahrradteile fuer Daniel zu bekommen (fast aussichtslos!) oder mir einen neuen Helm zu besorgen (der wurde mir nachts von einem Hund geklaut…), und geniessen ansonsten das Flair dieser wunderschoenen quirligen Stadt. Und Visa fuer Aserbaidschan muessen wir noch organisieren, das Land beginnt ca 70 Kilometer von hier. Wahrscheinlich machen wir sogar noch einen kleinen Abstecher ohne Raeder in die Berge von Kazbek, da wir eh auf die Visa warten muessen, mal schauen.
Lasst euch nicht vom Dauerregen unterkriegen, schaut euch lieber ein paar heisse Fotos an so wie die unten oder in der Galerie und seid ansonsten ganz lieb gegruesst von
Agata&Andy
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